Es ist der 25. Oktober 2020. Mit einem 3:0-Auswärtssieg in Morbach schiebt sich die SG 99 Andernach an die Tabellenspitze der Rheinlandliga. Vier Monate später stehen die Bäckerjungen immer noch auf dem Platz an der Sonne, haben allerdings auch kein weiteres Spiel mehr bestritten. Wegen der Corona-Pandemie wurde der Spielbetrieb unterbrochen. Nach wie vor weiß keiner, ob und wann es mit der Saison weitergeht. Zeit, einmal nachzufragen, wie Trainer Kim Kossmann mit der Situation umgeht.
Kim, wie sehr fehlt dir der Fußball gerade?
Kim Kossmann Natürlich ist es schön zu Hause zu sein, gerade weil ich meinen kleinen Sohn viel häufiger sehen kann. Nichtsdestotrotz fehlt mir der Fußball schon sehr. Wobei ich gar nicht genau sagen kann, ob es nicht vielleicht noch mehr die Jungs sind. Dass wir trainieren, ein Bierchen trinken. Das Zusammensein, das fehlt schon.
Glaubst du daran, dass die Saison noch fortgesetzt wird oder müssen wir bis zum Sommer auf Amateurfußball warten?
Kossmann Meine Stimmung ändert sich beinahe täglich. Mal denke ich, es geht weiter. Mal denke ich, es geht nicht weiter. Ich habe mittlerweile aufgehört, mir darüber Gedanken zu machen. Wenn es weitergeht, freue ich mich sehr. Wenn ich mir überlege, dass wir erst im August in sechs Monaten unser erstes Pflichtspiel haben, das tut schon sehr weh. Das wäre verrückt. Aber wir können das nicht ändern. Wir müssen es nehmen, wie es kommt.
Habt ihr denn Kontakt mit dem Fußballverband?
Kossmann Der Verband hat jetzt mit Online-Konferenzen angefangen. Am Donnerstag habe ich selbst an einer teilgenommen. Fakt ist, der Verband will unbedingt die Hinrunde zu Ende spielen. Aber die Entscheidung liegt ja nicht bei ihnen, die kommt von oben. Wenn wir am 15. März wieder auf den Platz können und am ersten April-Wochenende wieder spielen können, dann wird es funktionieren. Später wohl nicht mehr. Das liegt auch an den drei Wochen Vorbereitungszeit, die der DFB für den Amateursport fordert.
Kossmann ist seit September 2019 Trainer der Ersten.
Ein Abbruch der Saison wäre wahrscheinlich doppelt bitter, weil ihr gerade Tabellenführer seid.
Kossmann Wenn ich da nein sagen würde, würde ich lügen. Wir haben bisher eine richtig gute Runde gespielt. Wir sind Tabellenführer und meiner Meinung auch zu Recht. Von daher wäre das natürlich total bitter. Aber so ist das im Leben. Letztes Jahr haben wir profitiert. Da waren wir beim Abbruch Vorletzter, auch wenn ich zu 100 Prozent glaube, dass wir ohnehin die Klasse gehalten hätten. Aber wir haben uns einige graue Haare erspart. Jetzt sind wir Erster und hätten natürlich gerne weitergespielt.
Wie wurdet ihr eigentlich vom Vorletzten zum Ersten in ein paar Monaten?
Kossmann Wir sind eine richtige Einheit geworden. Da trägt natürlich auch der Erfolg ein wenig zu bei. Wir haben uns fußballerisch etwas weiterentwickelt und unsere Neuzugänge sind eingeschlagen. Alle machen einen richtig guten Job. Wir kommen aber vor allem über die Gemeinschaft, das merkt man auf dem Platz und außerhalb. Wir hatten immer eine Trainingsbeteiligung von 16, 17, 18 Leuten.
Wie haltet ihr denn gerade Kontakt?
Kossmann Die ersten zwei Wochen haben wir uns noch per Zoom zum Training getroffen. Aber als klar wurde, dass wir längere Zeit keinen Fußball spielen werden, wollte ich den Jungs auch nicht auf die Nerven gehen. Ein Fußballer will Fußball spielen und hat keinen Bock, drei Mal die Woche Liegestütze bei Zoom zu machen. Ich muss sagen, die Jungs machen wirklich viel. Aber einen festen Trainingsplan gibt es nicht. Erst wenn wir wissen, dass wir bald wieder auf den Platz dürfen.
Wie würde so eine kurze Vorbereitung dann aussehen?
Kossmann Das ist natürlich auch für mich komplett neu. Ich bin seit anderthalb Jahren Trainer der ersten Mannschaft und hab noch keine Saison zu Ende gespielt. Ich muss mir da auch Gedanken drum machen, bin aber guter Dinge.
Kossmann bei einem der wenigen Spiele seines Teams auf dem Stadion-Rasen.
Ihr habt den Blick auch schon auf die kommende Saison gerichtet. Mit Fabian Weber gibt es einen externen Neuzugang, dazu mehrere Spieler aus der A-Jugend. Ist die Kaderplanung damit abgeschlossen?
Kossmann Es ist nichts mehr geplant. Es müsste schon einiges zusammenkommen, damit wir extern nochmal jemanden holen. Auch Fabian Weber ist quasi ein Andernacher Junge, der zwei Jahre bei mir in der A-Jugend gespielt hat. Die nächsten zwei, drei Jahre haben wir richtig großes Potenzial in der Jugend. Auf die Spieler wollen wir setzen. Als Tabellenführer mit Chancen auf die Oberliga kriegst du natürlich ganz viele Anrufe und Nachrichten, in denen dir Spieler angeboten werden. Das haben wir alles abgelehnt.
Könnte der Andernacher Weg mit einem Oberliga-Aufstieg nicht auch vielleicht an seine Grenzen geraten? Weil es da ohne Externe vielleicht nicht mehr reicht.
Kossmann Möglich. Wenn das wirklich so kommt, dann werden wir das als Abenteuer ansehen und die Zeit genießen. Wir werden sehen, was wir draus machen. Wir wissen, dass wir finanziell mit ganz weitem Abstand den geringsten Etat der Liga hätten. Es wäre dennoch eine coole Sache für uns. Bis dahin ist es aber noch ein ganz weiter Weg.
Hast du Angst, dass es Jugendspieler gibt, die im Corona-Lockdown die Lust am Fußball verlieren?
Kossmann Selbstverständlich hat man Angst, dass das bei Kindern passieren kann. Aber in unserer A- oder B-Jugend wird es keinen geben, der einfach aufhört. Das sind schon Leistungssportler und Fußballer durch und durch. Die sind mit Herz dabei. Ähnlich wie bei der Ersten, die sind alle heiß.
Was muss passieren, damit du am Ende mit dem Fußballjahr zufrieden bist? Der Oberliga-Aufstieg oder einfach nur, dass es weitergeht?
Kossmann Wir wären einfach froh, wenn es weitergeht. Wenn wir unserem Hobby wieder nachgehen, wir uns drei, vier Mal die Woche auf dem Platz treffen, trainieren und anschließend ein Bierchen trinken können. Da redet auch keiner von Oberliga-Aufstieg oder sowas. Wir sind froh, wenn wir wieder kicken können.
Glaubst du denn, dass 2021/22 wieder eine normale Fußballsaison wird?
Kossmann Da gehe ich von aus. Irgendwann muss es ja weitergehen. Nicht nur im Fußball, sondern generell im Leben. Wir können uns ja nicht für immer zu Hause einschließen, irgendwann wollen wir wieder unser altes Leben zurück.
Die Fragen stellte Marc Latsch.