Rekord: 4325 Zuschauer sehen DFB-Pokalspiel in Andernach gegen den FC Bayern München

„Langer Ball von Maren Weingarz, ich bin weitergelaufen, der Ball kam durch und die Torfrau war draußen“, blickte Julia Schermuly nach dem Spiel auf die größte Chance der SG 99 Andernach in der 85. Spielminute des Zweitrunden-Spiels im DFB-Pokal gegen den FC Bayern München zurück. „Dann dachte ich, ich lupfe ihn einfach drüber – vielleicht haben eineinhalb Meter gefehlt.“ Es sollte nicht sein, auch die beste Möglichkeit auf Seiten der Gastgeberinnen blieb ungenutzt, und so unterlagen die „Bäckermädchen“ gegen den amtierenden Deutschen Meister mit 0:2 (0:1). Das tat der Stimmung im Andernacher Stadion bei besten sommerlichen Bedingungen aber keinen Abbruch. Vielmehr beschreibt die Reaktion der 4325 Zuschauer auf den Fehlschuss die Stimmung, die am Sonntagnachmittag beim – in Andernach eigens erklärten „Spiel des Jahrtausends“ – herrschte. Auch die Außenbahnspielerin mit der „10“ auf dem Rücken und Hauptprotagonistin dieser Szene konnte das nicht wirklich greifen: „Alleine wie die Stimmung da war, obwohl ich den Ball verschossen habe – da will ich gar nicht wissen, was los gewesen wäre, wenn der rein gegangen wäre.“

Tatsächlich entwickelte sich aus der Torchance von Julia Schermuly so etwas wie eine Drangphase der SG 99 – ohne die Bayern-Torfrau Maria-Luisa Grohs zu fordern. Die Bäckermädchen wurden jedoch mutiger, setzten sich vermehrt auf ihrer rechten Offensivseite in der Schlussphase fest und erhielten für den gezeigten Einsatz mehrfach Szenenapplaus der Andernacher Fans. Da war der Sieg der Gäste aber schon zum Greifen nah, und der Erstligist, der am kommenden Freitag im Eröffnungsspiel der Frauen-Bundesliga beim SC Freiburg gastiert, befand sich bereits im „Verwaltungsmodus“. In den knapp 84 Minuten zuvor kontrollierte der Favorit das Spielgeschehen auf dem Rasenplatz. So waren es in Klara Bühl und Lea Schüller zwei deutsche Nationalspielerinnen, die die ersten Annäherungsversuche an das Andernacher Tor wagten.

Während Bühl eine Unstimmigkeit in der Hintermannschaft nutzte und einen springenden Ball im Strafraum mit dem Kopf über SG-Torhüterin Laura van der Laan, aber eben auch knapp am Pfosten vorbei, köpfte (5.), scheiterte Schüller nach sehenswertem Spielzug frei stehend mit einem ungenauen Abschluss an einer Fußabwehr van der Laans. Bayern blieb am Drücker, ließ die Andernacherinnen hinterher laufen und kombinierte sich oft bis an den gegnerischen Strafraum. Nur ein Tor fehlte. Bis zur 19. Spielminute. Van der Laan, die in der zweiten Halbzeit noch dafür sorgen sollte, dass die Münchnerinnen nicht öfter jubeln durften, unterlief einen Eckball Bühls. Am langen Pfosten musste Bayerns Sommer-Neuzugang und Star-Stürmerin Pernille Harder den Ball per Kopf nur noch über die Linie drücken. Acht Minuten später traf Bühl bei einem direkt aufs Tor geschossenen Eckstoß das Lattenkreuz.

Und die Andernacherinnen? Die kamen nur selten bis in den Strafraum des Erstligisten. Ein erster vielversprechender Angriff wurde in der 33. Minute zum ersten Andernacher Eckball geklärt. Die einheimischen Fans honorierten das mit tosendem Applaus. Keine vier Minuten danach ging das nächste Raunen durch die Menge, als Julia Schermuly nach einer feinen Körpertäuschung zunächst Linksverteidigerin Katharina Naschenweng tunnelte, dann aber von der englischen Vize-Weltmeisterin Georgia Stanway auf Höhe der Mittellinie mit einer energischen Grätsche humorlos von den Beinen geholt wurde. Spätestens da war dem letzten Zuschauer klar: Die Bayern waren nicht da, um Geschenke zu verteilen. Das wollte die Heimelf ebenso nicht, was auch Straus nach dem Spiel würdigte: „Andernach hat ein gutes Spiel geliefert und uns mit einer Menge Zweikämpfen gefordert. Wir sind froh, gewonnen zu haben, aber waren sicherlich noch nicht auf unserem Level. Natürlich hatten wir noch einige Chancen, haben uns aber vielleicht auch zu wenig auf die äußeren Umstände – die heiße Temperatur, den teilweise schwierigen Platz und die euphorischen Heimfans – eingelassen.“

Die individuelle Klasse des Deutschen Meisters sollte am Sonntagnachmittag jedoch den Unterschied machen. Auch Andernachs Trainer Florian Stein geriet ins Schwärmen: „Klar waren die Münchnerinnen fußballerisch besser. Wenn du siehst, wer da bei der ersten Einwechslung steht und reinkommt, dann weißt du, dass sie natürlich andere Ziele haben.“ Bereits in der 55. Minute brachte Trainer Straus die ersten drei frischen Kräfte. Neben den deutschen Nationalspielerinnen Sydney Lohmann und Linda Dallmann, die über den linken Flügel viele Akzente setzte und einmal nur am Pfosten scheiterte (81.), kam auch die Serbin Jovana Damnjanovic (dreifache Deutsche Meisterin) ins Spiel. Letztere war es, die eine punktgenaue Flanke nach einem Sololauf von Tuva Hansen am kurzen Pfosten zum 0:2 einköpfte (75.). Zuvor hatte SG-Keeperin van der Laan mit mehreren herausragenden Paraden die vorzeitige Entscheidung verhindert.

Dann pfiff Schiedsrichterin Nadine Westerhoff ab, und die Andernacherinnen holten sich nach kurzer Ansprache von Trainer Stein den verdienten Applaus auf einer Ehrenrunde ab. Auch die Siegerinnen nahmen sich die Zeit und erfüllten auf dem Platz einige Autogramm- und Foto-Wünsche. „Ich bin großer Bayern-Fan, von den Männern und den Frauen. Wenn du dann siehst, wie volksnah sich diese Mannschaft hier zeigt, das ist einfach klasse. Ich glaube, wir waren ein guter Sparringspartner heute und haben alles reingeworfen. Wir können sehr stolz sein und haben viel Werbung für den Frauenfußball gemacht“, so ein freudestrahlender Stein hinterher. Nun hoffen sie in Andernach, die Euphorie mit in den Liga-Alltag zu nehmen. Am kommenden Sonntag, 14 Uhr, geht es an gleicher Stelle gegen den SC Sand in der Zweiten Frauen-Bundesliga weiter. Der eine oder andere Fan wird sich nach dem couragierten Auftritt sicher erneut auf den Weg machen – und darf dann vielleicht auch ein SG-Tor bejubeln, das gegen die Bayern verwehrt blieb. Moritz Hannappel

Die Statistik zum Spiel gibt es HIER

Die Highlights im Video-Zusammenschnitt gibt es HIER bei fcbayern.tv

Das nächste Spiel: SG 99 Andernach – SC Sand am Sonntag, 17. September, 14 Uhr

Werbung für den Frauenfußball: 4325 Zuschauer verfolgten das Zweitrunden-Spiel im DFB-Pokal der SG 99 Andernach (am Ball Lisa Kossmann, rechts Julia Schermuly) gegen das Star-Ensemble des FC Bayern München (hinten die deutsche Nationalspielerin Klara Bühl). Foto: Tobias Jenatschek

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